Über das Lesen und Betrachten künstlerischer Werke

Es geschieht immer wieder, dass ich nach der Präsentation meiner Kunst – seien es nun Bücher, Gedichte, Musik oder visuelle Dinge – übergangslos auf mein Leben, meine Vergangenheit und meine psychologische Verfassung angesprochen werde. In der Tat passiert es so häufig, dass ich darauf gerne etwas genauer eingehen möchte:
In der Schule lernen einige von uns der Begriff lyrisches Ich. In seinem Ursprung sollte diese Bezeichnung dazu dienen, zwischen der Perspektive einer fiktiven, erzählenden Person und dem Autor selbst zu unterscheiden. Tatsächlich gibt es viele Situationen, in denen wir dieses Konzept unbewusst anwenden: Wenn wir einen Unterhaltungsroman lesen, wenn wir einen Film sehen, ins Theater gehen oder uns eine Comedyshow ansehen. Wir verstehen, ohne groß darüber nachzudenken, dass die Person auf der Bühne uns zum Lachen bringen und vielleicht provozieren möchte und dass sie dafür möglicherweise (sogar sehr wahrscheinlich) Meinungen und Emotionen darstellt, die nicht unbedingt ihren eigenen entsprechen.
Seltsamerweise scheint diese Trennung etwas verloren zu gehen, wenn es sich bei den präsentierten Werken um etwas handelt, das weder lustig noch offensichtlich fiktiv ist (wie beispielweise meinen Gedichten). Dabei ist das größte Problem nicht einmal, dass der Lesende glaubt, gerade etwas über den Autor als Person zu lernen; vielmehr verliert sich dadurch der eigentliche Zweck der Kunst: Ein Anlass für alle zu sein, sich mit sich selbst und der Welt zu beschäftigen; auf eine Art und Weise, wie es ohne die Kunst vielleicht nicht geschehen würde.

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